Urteil des AG Bonn vom 20.11.2007

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Amtsgericht Bonn, 27 C 1/07
Datum:
20.11.2007
Gericht:
Amtsgericht Bonn
Spruchkörper:
27. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 C 1/07
Nachinstanz:
Landgericht Bonn, 29 S 9/07
Schlagworte:
WEG-Beschlüsse Wirksamkeit
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger.zu tragen.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
jeweils beizutreibenden/zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand:
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Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft, der Kläger ist Eigentümer
der Wohnung im dritten Obergeschoss des Hauses. Am 31.05.2007 fand eine
Wohnungseigentümerversammlung statt. Wegen der Einzelheiten der gefassten
Beschlüsse wird auf die Niederschrift Bl. 21 ff. der Akten Bezug genommen. Mit der
vorliegenden Klage wendet sich der Kläger gegen mehrere dort gefasste Beschlüsse.
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Der Anfechtungsantrag vom 29.06.2007 trägt den Posteingangsstempel vom
02.07.2007. Hierin erklärt der Kläger, dass die in dieser Versammlung gefassten
Beschlüsse im Umfange der Anfechtung rechtswidrig und ungültig seien. Er trägt vor,
dass die Klage am 29.06.2007 gegen 17.30 h zur Post gegeben worden sei.
Sendungen, die am Nachmittag aufgegeben werden, erreichen einen Empfänger in C
am nächsten Vormittag. Damit sei das Verfahren als WEG-Verfahren nach dem WEG a.
F. durchzuführen und nicht als Verfahren nach dem WEG n. F. In der Klageschrift hat der
den Antrag angekündigt, die anlässlich der Wohnungseigentümerversammlung am 31.
Mai 2007 der Wohnungseigentümergemeinschaft X-Straße #–#, ####1 C, gefassten
Beschlüsse für ungültig zu erklären, namentlich: zu TOP 6: Gesamt- und
Einzelabrechnung für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Dezember 2006, zu TOP 7:
Entlastung des Verwaltungsbeirates für das Wirtschaftsjahr 2006; zu Top 8: Entlastung
der Verwaltung für das Wirtschaftsjahr 2006, zu TOP 10: Gesamt- und
Einzelabrechnung für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Dezember 2002, zu Top 11:
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Gesamt- und Einzelabrechnung für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Dezember 2004, zu
TOP 12: Gesamt- und Einzelabrechnung für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Dezember
2005. Was die Beschlussfassung über die Jahresabrechnungen 2002, 2004 und 2005
angehe, seien dem Antragsteller noch nicht einmal die zur Beschlussfassung gestellten
Abrechnungsunterlagen vorgelegt worden. Mit Beschluss vom 05.07.2007 wurde der
Streitwert festgesetzt, unter dem 18.07.2007 bat der Kläger um Überprüfung, ob der
Rechtsstreit richtigerweise als Klageverfahren geführt wird und erklärte der Vorschuß
werde eingezahlt werden. Unter dem 10.08.2007 erfolgte die Einzahlung des
Gerichtskostenvorschusses. Die Klage ist der Beklagten am 18.08.2007 zugestellt
worden.
Mit Schriftsatz vom 08.08.2007 hat der Kläger den Rechtsstreit hinsichtlich der
Anfechtung der Beschlüsse zu TOP 10, 11 und 12 für erledigt erklärt. Im Übrigen trägt er
vor, dass der unter TOP 6 gefasste Beschluss aus mehreren Gründen ungültig sei. Zum
einen sei der Tagesordnungspunkt in der Einladung falsch umschrieben gewesen, von
Korrekturen sei keine Rede gewesen. Zudem verletze der Beschluss § 28 Abs. 3 WEG,
danach habe der Verwalter eine Abrechnung für das Kalenderjahr zu erstellen, eine
Abrechnung für ein Jahr nebst Korrekturen für weitere Jahre, verletze diese Anordnung.
Die Darstellung des Geldvermögens sowie der Einnahmen und Ausgaben in der
Einzelabrechnung 2006 für den Kläger sei nicht stimmig. Die Abrechnungsunterlagen
seien unzureichend, da insbesondere keine Saldenlisten vorgelegt worden seien.
Ebenfalls nicht erläutert seien die angeblichen Abgänge von Euro 9.807,13. Die Fehler
seien daher schwerwiegend und zahlreich. Wegen der Fehler hätte auch der
Verwaltungsbeirat sowie die Verwaltung nicht entlastet werden dürfen.
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Er hat beantragt,
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die anlässlich der Wohnungseigentümerversammlung am 31. Mai 2007 der
Wohnungseigentümergemeinschaft X-Straße #–#, ####1 C, gefassten Beschlüsse
für ungültig zu erklären, namentlich:
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zu TOP 6: Genehmigung der Gesamt- und Einzelabrechnungen für die Zeit vom 01.
Januar bis zum 31. Dezember 2006 einschließlich der Korrekturen der
Geschäftsjahre 2001, 2003, 2004 und 2005;
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zu TOP 7: Entlastung des Verwaltungsbeirates für das Geschäftsjahr 2006
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zu TOP 8: Entlastung der Verwaltung für das Wirtschaftsjahr 2006.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte rügt, dass die Klage schon nicht rechtzeitig erhoben worden ist: Zwar
wurde der Schriftsatz am letzten Tag der Frist bei Gericht eingereicht. Der Streitwert sei
allerdings schon am 05.07.2007 festgesetzt worden, der Kostenvorschuss sei allerdings
erst am 10.08.2007 eingezahlt worden, was dazu führte, dass die Klage erst am
18.08.2007 an die Verwalterin zugestellt werden konnte. Dies sei nicht mehr alsbald im
Sinne der ZPO. Im übrigen sei die Klage auch nicht rechtzeitig begründet worden.
Wegen der Ausführungen zur Sache wird auf die Ausführungen der Beklagten im
Schriftsatz vom 27.09.2007, Bl. 47 ff. d. A., Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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I. Die Klage ist zunächst nach den Regelungen der ZPO zu behandeln, da sie erst am
02.07.2007 bei Gericht eingegangen ist. Gemäß § 62 Abs. WEG sind die Vorschriften
des WEG a. F. nur auf diejenigen Verfahren anzuwenden, welche am 01.07.2007 bei
Gericht anhängig waren. Dies ist bei dem vorliegenden Verfahren nicht der Fall. Die
Klage trägt den Posteingangsstempel von Montag dem 02.07.2007. Dies ist als Tag des
Zugangs anzunehmen. Insoweit vermag der Vortrag des Klägers, dass die Klage am
29.06.2007 gegen 17.30 h zur Post gegeben worden ist und daher eigentlich am
30.06.2007 zugegangen sein müsste, da in der Regel die Briefe den Empfänger am
nächsten Tag erreichten, daran nichts zu ändern. Entscheidend ist, ob der Brief
vorliegend am 30.06.2007 bei Gericht eingegangen ist, mithin sich im Briefkasten bzw.
der Postannahmestelle befunden hat. Dafür gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte und
wird in dieser konkreten Form durch den Kläger auch nicht vorgetragen. Letztlich wäre
dafür die Angabe notwendig, wann der Postbote den Brief in den Briefkasten eingelegt
hat. Die Darlegungslast für den (rechtzeitigen) Zugang trägt insoweit derjenige, der sich
darauf beruft, mithin vorliegend der Kläger.
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II. Die Klage wäre schon deshalb abzuweisen, da sie nicht fristgerecht erhoben worden
ist. Gemäß § 46 WEG muss die Klage binnen eines Monats nach Beschlussfassung
erhoben werden, wobei für die Wahrung der Frist die Rechtshängigkeit entscheidend ist
(Bärmann/Pick, WEG, 18. Aufl. 2007, § 46 Rn. 3). Vorliegend wurden die angefochtenen
Beschlüsse am 31.05.2007 gefasst, so dass sie die Frist zum 02.07.2007 abgelaufen ist,
da der 30.06.2007 ein Samstag gewesen ist. An diesem Tag ging die Klageschrift bei
Gericht ein. Die Zustellung an die Beklagte erfolgte allerdings erst am 18.08.2007. Eine
Rückwirkung auf den Eingang des Antrags tritt gemäß § 167 ZPO nur dann ein, wenn
die Zustellung demnächst erfolgt. Davon ist vorliegend nicht auszugehen: Der Kläger
kann die Aufforderung des Gerichtes zur Einzahlung des Vorschusses abwarten, nach
Anforderung darf sich die Zahlung allerdings nur geringfügig verzögern, d. h. gut zwei
Wochen (Greger, in: Zöller, ZPO, 25. Aufl, § 167 Rn. 15). Vorliegend hat der Kläger die
Aufforderung zur Zahlung des Vorschusses spätestens am 18.07.2007 erhalten, da er
unter diesem Datum die kurzfristige Einzahlung des Vorschusses erklärt. Dieser ist
tatsächlich allerdings erst am 10.08.2007 bei Gericht eingegangen, mithin über drei
Wochen später.
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Allerdings kann die Abweisung der Klage nicht ohne Verletzung rechtlichen Gehörs des
Klägers auf diesen Umstand gestützt werden, da dieser Aspekt erst nach der
mündlichen Verhandlung seitens der Beklagten vorgebracht worden ist. Grundsätzlich
ist dann gemäß § 156 Abs. 1 Nr. 2 ZPO die Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung. Dies konnte vorliegend aber unterbleiben, denn die Klage war aus
anderen Gründen abzuweisen.
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III. Die Klage ist entgegen § 46 Abs. 1 WEG n. F. nicht fristgerecht begründet worden.
Danach muss die Klage binnen zwei Monaten nach Beschlussfassung begründet
werden. Vorliegend war die Beschlussfassung am 31.08.2007, so dass die
Begründungsfrist am 31.07.2007 abgelaufen ist. Die Begründung erfolgte erst am
10.08.2007 und damit verspätet. Eine Begründung ist nicht schon in der Klageschrift zu
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sehen. Dort erklärt der Kläger, dass die Beschlüsse im Umfang der Anfechtung
rechtswidrig und ungültig seien. Hinsichtlich der Beschlussfassung über die Jahre 2002,
2004 und 2005 seien noch nicht einmal die Abrechnungsunterlagen vorgelegt worden;
da der Kläger auf der Versammlung nicht anwesend gewesen sei, wisse er noch nicht
einmal, über welche Abrechnungsunterlagen Beschlüsse gefasst worden seien. Welche
Anforderungen an eine Begründung gestellt werden, lässt sich den Gesetzesmaterialien
nicht entnehmen.
Die Vorschrift ist erst im Laufe des Verfahrens auf Initiative der Bundesregierung
eingefügt worden (vg. Anlage 3 zum Entwurf vom 08.03.2006, Gegenäußerung der
Bundesregierung zu den Vorschlägen des Bundesrates, zu Nummer 7, BT-Drucks,
abgedruckt bei Bärmann/Pick, WEG, Synopsen und Materialien zur 18. Aufl.). In der
Begründung wird allerdings nur darauf hingewiesen, dass die Frist zur Begründung
berücksichtigt, dass die Niederschrift über die Versammlung den Eigentümern
manchmal erst kurz vor Ablauf der Klagefrist zur Verfügung steht und die Meinung
vertreten werde, die Frist zur Begründung sei dann zu knapp. Die Anforderungen an die
Begründung sind mithin durch Auslegung zu ermitteln. Der Wortlaut ist insoweit wenig
ergiebig, gleichfalls aus den genannten Gründen die Gesetzesmaterialien. Jedoch lässt
sich aus dem systematischen Zusammenhang mit der Anfechtungsfrist folgendes
entnehmen: Die Anfechtungsfrist dient dazu, unter den Eigentümern schnell Klarheit zu
erhalten, welche Beschlüsse gültig sind, um das Verhalten mithin die Umsetzung der
Beschlüsse ggf. danach ausrichten zu können. Die Folgen des eigenen Handelns
können allerdings nur dann folgerichtig abgeschätzt werden, wenn auch klar ist, aus
welchen Gründen (und damit ggf. mit welchen Erfolgsaussichten) die Anfechtung erfolgt.
Eine vergleichbare gesetzliche Regelung findet sich im Rahmen des
Berufungsverfahrens: Hier muss die Berufung binnen eines Monats eingelegt und
binnen zwei Monaten begründet werden. Auch hier dient die Frist dazu, das Verfahren
zu konzentrieren und zu beschleunigen, da der Berufungskläger gezwungen wird, sich
innerhalb der Frist konkret dazu zu erklären, in welchem Umfang und mit welchem Ziel
und mit welchen Gründen er das erstinstanzliche Urteil anfechten will (Ball, in: Musielak,
5. Aufl. 2007, § 520 Rn. 1). Dadurch soll erreicht werden, dass Gericht und Gegner
möglichst schnell wissen, wie der Berufungsführer den Rechtsstreit beurteilt wissen will
(Ball, a. a. O., Rn. 20).
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Diesen Anforderungen genügt die Klageschrift nicht: Die Erklärung, dass die
Beschlüsse rechtswidrig seien, ist keine Begründung, sondern eine Feststellung.
Zudem dürfte es sich im vorliegenden Kontext auch um eine Selbstverständlichkeit
handeln, da der Kläger bei der Anfechtung von Beschlüssen immer davon ausgehen
wird, dass diese rechtswidrig sind. Anderenfalls würde er im Zweifel eine Klage nicht
erheben. Aber auch das Vorbringen, es fehle an Abrechnungsunterlagen genügt diesen
Anforderungen nicht, da auch hier der Beklagten nicht klar ist, auf welche konkreten
Umstände (welche konkreten Unterlagen) er sein Vorbringen stützt. Diesbezüglich fehlt
es letztlich an konkretem Sachvortrag. Soweit der Kläger erklärt, die relevanten
Anfechtungsgründe seien in der Antragsschrift schon vorgebracht, so vermag das
Gericht dieser Auffassung aus dem zuvor genannten Grund nicht zu folgen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
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Der Streitwert wird auf Euro 9.000 festgesetzt.
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