martina heck

26.02.2015

Gutglaubensschutz bei unzutreffenden Rechnungsangaben

Der Bundesfinanzhof hatte über die Frage zu entscheiden, wie weit der Gutglaubensschutz gehen (und Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides erfolgreich beantragt werden) kann, wenn Angaben in den Rechnungen des Leistungserbringers unzutreffend sind.

In dem entschiedenen Fall begehrte die Antragstellerin für die Streitjahre 2010 und 2011 den Vorsteuerabzug aus Rechnungen einer Firma “X”. In den betreffenden Rechnungen wurden jeweils die Anschrift “A-Str. 1, … B-Stadt” und die Steuernummer “…” angegeben. Sowohl die angegebene Postleitzahl als auch die angegebene Steuernummer existierten nicht.

Bei der Firma “X” soll es sich um den Einzelkaufmann C handeln, der vom 10.05.2006 bis zum 31.01.2009 unter der Anschrift A-Straße 1, … B-Stadt gemeldet war. C, der zwischen dem 01.02.2009 und dem 25.09.2009 melderechtlich nicht mehr erfasst war, war die Führung eines Gewerbes seit dem 12.01.2009 untersagt. Er wurde seit dem 01.01.2009 steuerlich nicht mehr geführt.

C und der Geschäftsführer der Antragstellerin (G) waren seit 2007 bzw. 2003 für das Vorgängerunternehmen der Antragstellerin, das Einzelunternehmen der Ehefrau des G, tätig gewesen.

Mit Schreiben vom 16.09.2011 bestätigte C der Antragstellerin, dass er die ihr in Rechnung gestellten Leistungen selbst oder mit seinen eigenen Leuten ausgeführt und die Rechnungssummen immer bar erhalten habe. Ihm, dem C, sei nicht bewusst gewesen, dass sein Gewerbe nicht mehr existent sei, bis ihm G davon berichtet habe.

Im Anschluss an eine von dem für die Antragstellerin zunächst zuständigen Finanzamt F1 durchgeführten, die Streitjahre umfassenden Außenprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass der Vorsteuerabzug aus den unter dem Namen des C ausgestellten Rechnungen zu versagen sei. Dieser habe in den Streitjahren kein Gewerbe mehr betrieben, sodass er nicht als leistender Unternehmer anzusehen sei. Zu demselben Ergebnis kam das Finanzamt F2 – Steuerfahndungsstelle, allerdings mit der Begründung, dass der von der Antragstellerin begehrte Vorsteuerabzug deshalb zu versagen sei, weil die Rechnungen des C nicht dessen vollständigen Namen, keine zutreffende Anschrift und keine zutreffende Steuernummer enthielten.

Der Antrags- und Beschwerdegegner, das für die Antragstellerin inzwischen zuständige Finanzamt, setzte dementsprechend die Umsatzsteuer für die Streitjahre jeweils mit Umsatzsteuerbescheid vom 19. Dezember 2013 erstmalig fest.

Hiergegen legte die Antragstellerin jeweils Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung blieb sowohl bei dem Finanzamt als auch beim Finanzgericht erfolglos.

Der Bundesfinanzhof hat die entsprechende BEschwerde ebenfalls zurückgewiesen.

Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.

Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 S. 2 FGO liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen.

Nach diesen Maßstäben bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide.

Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.

Fehlen die erforderlichen Rechnungsangaben oder sind sie unzutreffend, hat der Leistungsempfänger grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug.

Zwar besteht Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage, ob mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH der Leistungsempfänger zum Abzug der Vorsteuerbeträge berechtigt ist, wenn er auf die Angaben des Lieferanten vertraute und sich diese Angaben später als falsch herausstellen, obgleich § 15 UStG den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nicht vorsieht und Vertrauensschutzgesichtspunkte deshalb grundsätzlich nicht bei der Steuerfestsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften des UStG, sondern ggf. nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163, § 227 AO berücksichtigt werden können.

Vorliegend kann sich die Antragstellerin, wovon das FG zu Recht ausgegangen ist, jedoch nicht auf Gutglaubensschutz berufen.

Das Fehlen weiterer im Geschäftsverkehr üblicher Kontaktdaten wie Telefonnummer, Telefaxnummer oder E-Mail-Adresse sowie Bankverbindung und die Vereinnahmung der Rechnungsbeträge in nicht geringer Höhe von insgesamt brutto 39.763,85 EUR in 2010 und 93.849,35 EUR in 2011 jeweils in bar hätten in ihrer Gesamtheit der Antragstellerin Anlass geben müssen, die Rechnungsangaben des C zu prüfen. Dies ist nicht geschehen.

Zudem durfte sich die Antragstellerin nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht ohne weiteres auf die Rechnungsangaben des C verlassen, wenn sie  bereits im jeweiligen Zeitpunkt der Leistungserbringung Kenntnis von der Gewerbeuntersagung des C gehabt hat.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.01.2015 – XI B 112/14