martina heck

11.05.2015

Die Einfuhrumsatzsteuer und die Zahlungspflicht der Post

Der Bundesfinanzhof hat sich aktuell mit der Frage auseinandergesetzt, wer “Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer” im Sinne des § 3 Abs. 8 UStG sein kann.

Er ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer die Person ist, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt oder in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird. Darauf, dass tatsächlich Einfuhrumsatzsteuer angefallen ist, kommt es nicht an.

Als Vertreter “für Rechnung” eines anderen i.S. des Art. 5 Abs. 2 ZK handelt dabei nicht, wer in eigener Person alle etwaig anfallenden Steuern und sonstige Kosten trägt und sein Handeln sich für den anderen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt wirtschaftlich auswirkt.

Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung gemäß § 3 Abs. 6 S. 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbstständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt (§ 3 Abs. 6 S. 3 UStG). Ob in dem konkreten Fall die X-GmbH oder die Y-GmbH die P mit der Beförderung der Gegenstände an die Kunden beauftragte, kann offenbleiben, da beide Gesellschaften Organgesellschaften der Klägerin sind. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstandes an den Beauftragten (§ 3 Abs. 6 S. 4 UStG). Vorliegend begann die Versendung mit der Abholung der Gegenstände durch die P vom Logistikzentrum im schweizerischen Q.

Abweichend von § 3 Abs. 6 UStG bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG, wenn der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung aus einem Drittlandsgebiet in das Inland gelangt und der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist. In diesem Fall gilt der Ort der Lieferung als im Inland gelegen.

Die Regelung setzt Art. 32 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28.11.2006 (MwStSystRL) um. Danach gilt der Ort der Lieferung, die durch den Importeur bewirkt wird, der gemäß Art. 201 MwStSystRL als Steuerschuldner bestimmt oder anerkannt wurde, als in dem Mitgliedstaat gelegen, in den die Gegenstände eingeführt werden, wenn der Ort, von dem aus die Gegenstände versandt oder befördert werden, in einem Drittgebiet oder in einem Drittland liegen.

Dass Einfuhrumsatzsteuer tatsächlich anfällt, ist nicht entscheidend. Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer i.S. des § 3 Abs. 8 UStG ist auch derjenige, dessen Umsätze zwar gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerbar, aber gemäß § 5 UStG steuerfrei sind. Der Annahme einer Lieferung im Inland steht daher nicht entgegen, dass die Lieferungen der Klägerin gemäß § 1a der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung vom 11.08.1992 nicht der Einfuhrumsatzsteuer unterliegen, weil es sich um Sendungen von Waren mit geringem Wert i.S. des Art. 27 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28.03.1983 – VO (EWG) Nr. 918/83 – handelt, deren Gesamtwert je Sendung 22 EUR nicht übersteigt.

Die Klägerin lieferte die Waren aus der Schweiz, einem Drittlandsgebiet (§ 1 Abs. 2a S. 3 UStG). Sie gelangten bei der Versendung in das Inland (§ 1 Abs. 2 S. 1 UStG).

Die Klägerin war auch “Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer”. Der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer bestimmt sich gemäß § 13a Abs. 2 UStG i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG nach den Vorschriften über die Zölle.

Gemäß Art. 201 Abs. 3 S. 1 ZK (Zollkodex) ist Zollschuldner der Anmelder der Waren. Dieser ist folglich auch Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer. Anmelder ist gemäß Art. 4 Nr. 18 ZK die Person, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt, oder die Person, in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird. Der Anmelder kann sich gemäß § 5 ZK vertreten lassen.

Die Y-GmbH war Anmelder, weil sie durch den “Antrag auf Freischreibung” Zollanmeldungen zwar im Namen der Empfänger, aber mit Wirkung für sich selbst abgegeben hat.

Ob der “Antrag auf Freischreibung” nach Art. 27 VO (EWG) Nr. 918/83 die Anforderungen an eine Zollanmeldung i.S. des Art. 61 ZK in vollem Umfang erfüllt, d.h. ob er auf einem dem amtlichen Muster entsprechenden Vordruck i.S. des Art. 62 Abs. 1 ZK abgegeben und unterschrieben wurde, brauchte der Bundesfinanzhof nicht zu entscheiden. Denn das Zollrecht kennt die Fiktion der Zollanmeldung, wenn Waren die Voraussetzungen der Art. 230 bis 232, 237 ZKDVO erfüllen, z.B. im Postverkehr beförderte Waren, und zulässigerweise eine andere Form der Willensäußerung an die Stelle einer schriftlichen oder mündlichen Anmeldung getreten ist. Hiervon ist bei dem zwischen der Deutschen Post AG und der Klägerin abgestimmten Verfahren auszugehen.

Die Klägerin hat die Empfänger zollrechtlich nicht wirksam bei der Anmeldung vertreten, so dass der Bundesfinanzhof nicht darüber zu entscheiden brauchte, ob der Beurteilung der AGB-Steuerklausel durch das Finanzgericht als überraschende Klausel i.S. des § 305c BGB zu folgen ist.

Es fehlt an dem für die allein in Betracht kommende direkte Vertretung zollrechtlich erforderlichen Handelns “für Rechnung eines anderen” (Art. 5 Abs. 2  1. Spiegelstrich ZK).

Nimmt ein Steuergesetz, wie vorliegend § 3 Abs. 8, § 13a Abs. 2, § 21 Abs. 2 UStG durch den Verweis auf den Begriff der Vertretung in Art. 5 ZK, auf einen Begriff Bezug, der einem anderen Rechtsgebiet entnommen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob das Steuerrecht insoweit den Wertungen des jeweiligen Rechtsgebietes, wie hier des Zivilrechts, folgt oder mit Hilfe der entlehnten Begriffe eigenständige steuerrechtliche Tatbestände bildet. Steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale sind danach, auch wenn sie einem anderen Rechtsgebiet entnommen sind, nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung zu interpretieren. Es besteht weder eine Vermutung für ein übereinstimmendes noch für ein abweichendes Verständnis.

Davon ausgehend hat der Bundesfinanzhof auch an der unionsrechtlichen Auslegung des Begriffes der Vertretung unabhängig von den verschiedenen Sprachfassungen des Art. 5 ZK keine Zweifel. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union kommt daher vorliegend nicht in Betracht. Es kommt nicht darauf an, ob der Begriff der Vertretung in Art. 5 ZK mit der deutschen Fassung ein Handeln “für Rechnung eines anderen” oder mit der englischen Fassung ein “act … on behalf of another person”, was eher einem Handeln “im Interesse eines anderen” entspricht, voraussetzt. Denn beides ist vorliegend nicht erfüllt.

Die Klägerin hat nicht für Rechnung der Empfänger gehandelt, weil die zollrechtliche Abwicklung unabhängig von der Befreiung der Einfuhr durch § 1a der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung aufgrund der Übernahme aller etwaig anfallenden Steuern und sonstiger Kosten durch die Klägerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt für die Empfänger wirtschaftliche Auswirkungen haben konnte.

Es sind auch keine sonstigen Interessen der Empfänger erkennbar, die durch das Handeln der Klägerin berührt sein könnten. Die gesamte Gestaltung hat allein den Interessen der Klägerin gedient, mögen diese steuerrechtlicher oder im Hinblick auf den Aufbau eines zentralen Auslieferungslagers für Europa wirtschaftlicher Natur gewesen sein.

Der Zollschuldnerschaft der Klägerin stehen die Regelungen in Art. 237 ZKDVO nicht entgegen. Grundsätzlich erhält der Postverkehr im Recht der Zollanmeldung eine privilegierte Sonderstellung. Nach Art. 237 ZKDVO würden die Empfänger zollrechtlich als Anmelder gelten, weil es sich bei dem Warentransport durch die P um Postsendungen handelte, die gemäß Art. 38 Abs. 4 ZK i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b aa der Zollverordnung in der Fassung vom 22.12.2003 – ZollV – von der Verpflichtung des Beförderns freigestellt waren. Im Postverkehr gelten gemäß Art. 237 Abs. 1 Buchst. A.a 4. Spiegelstrich ZKDVO derartige Postsendungen als angemeldet. Als Anmelder und Zollschuldner gilt in diesen Fällen gemäß Art. 237 Abs. 2 Satz 1  1. Halbsatz ZKDVO der Empfänger.

Die Anwendung von Art. 237 ZKDVO ist vorliegend aber durch Art. 238  3. Spiegelstrich ZKDVO ausgeschlossen, denn gemäß Art. 238 ZKDVO gilt Art. 237 ZKDVO nicht, wenn eine Zollanmeldung schriftlich, mündlich oder unter Einsatz der Datenverarbeitung abgegeben wird. Das ist aus den genannten Gründen vorliegend der Fall.

Die Zollschuldnerschaft der Klägerin ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die P Zollanmeldungen in Vertretung der Empfänger für diese abgegeben hat, mit der Folge, dass diese als Anmelder gälten.

Zwar ist die Deutsche Post AG gemäß § 5 Abs. 2 ZollVG befugt, für von ihr beförderte Waren, die nach Maßgabe des ZK zu gestellen sind, Zollanmeldungen in Vertretung des Empfängers abzugeben. Das gilt auch für die P, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Post AG. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts hat die P aber weder eine schriftliche Zollanmeldung i.S. des Art. 61 und 62 ZK mittels Einheitspapiers noch eine Anmeldung mit Mitteln der Datenverarbeitung abgegeben. Nach diesen Feststellungen hat die Y-GmbH den “Antrag auf Freischreibung” gestellt. Die Klägerin geht selbst davon aus, dass die P insoweit nur als Bote aufgetreten ist. Aus diesem Grund kommt auch keine vollmachtlose Vertretung seitens der P in Betracht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die P durch das bloße Verbringen der Waren über die Grenze auch nicht konkludent Zollanmeldungen im Namen der Empfänger abgegeben. Zwar kommt gemäß Art. 233 ZKDVO auch eine konkludente Zollanmeldung in Betracht. Das gilt aber nicht, wenn eine ausdrückliche Anmeldung vorliegt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.01.2015 – V R 5/14