Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder

Kanzlei Blaufelder
71638, Ludwigsburg
23.02.2012

Helios-Haustarifvertrag ./. Caritas-AVR

Nach dem Verkauf eines Betriebs können die Beschäftigten weiter auf ihren einzelvertraglich zugesicherten Lohn pochen. Eine solche individuelle Lohnzusage wird auch durch einen beim Erwerber gültigen Haustarifvertrag nicht durchbrochen, urteilte am Mittwoch, 22.02.2012, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (AZ: 4 AZR 24/10). Das gelte auch für die arbeitsvertragliche Inbezugnahme der Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des Deutschen Caritasverbandes.

Damit entschied der 4. BAG-Senat auch, dass die AVR nicht den Rang von Tarifverträgen haben. Diese Ansicht hatten zuvor auch schon andere BAG-Senate vertreten. Als Konsequenz werden die AVR von den Gerichten wie Allgemeine Geschäftsbedingungen behandelt und unterliegen einer deutlich strengeren gerichtlichen Kontrolle als Tarifverträge. Die katholische Caritas und die evangelische Diakonie sind mit zusammen nahezu einer Million Beschäftigten die größten Arbeitgeber in Deutschland. Ihre AVR werden nicht mit den Gewerkschaften ausgehandelt, sondern in paritätisch besetzten „Arbeitsrechtlichen Kommissionen“ beschlossen.

In dem nun entschiedenen Fall gab das BAG mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sankt Elisabeth-Krankenhauses in Oberhausen recht. 2007 hatte der private Krankenhauskonzern Helios das frühere Caritas-Krankenhaus übernommen. Umstritten war, ob nunmehr der Helios-Haustarifvertrag oder trotz der Übernahme immer noch die Caritas-AVR gelten.

Im Gegensatz zu Tarifverträgen können AVR nicht Kraft Verbandszugehörigkeit wirken. Sie werden daher immer jeweils einzeln im Arbeitsvertrag festgeschrieben. Dies gilt als arbeitsvertragliche Inbezugnahme und individuelle Zusage, urteilte nun das BAG. „Ein Haustarifvertrag kann die einzelvertraglich begründete Anwendbarkeit der AVR Caritas nicht ablösen.“ Nach dem Erfurter Urteil würde dies aber auch gelten, wenn der frühere Arbeitgeber im Arbeitsvertrag einen festen Lohn oder die Bezahlung nach einem anderweitigen Tarif zugesagt hat.

Für die Mitarbeiter des Sankt Elisabeth-Krankenhauses in Oberhausen gilt als Konsequenz nun das sogenannte Günstigkeitsprinzip. Danach können sie sich die für sie jeweils günstigere Regelung aussuchen. Dabei müssen sie sich nicht für AVR oder Haustarif als Gesamtpakete entscheiden, sondern können für alle tariflich geregelten Bereiche wie Lohn, Urlaub oder Arbeitszeit jeweils einzeln wählen.

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